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Land und Leute

bearbeitet von Reisenachtibet.com on 2019-07-10

1. Als ich zum ersten Mal das alte Lied Siba schlachtet ein Rind hörte

Über den Luftweg bin ich oftmals nach Tibet geflogen. Er verbindet Tibet mit Chengdu. Die Strecke ist 1300 km lang und wurde in den 50er Jahren eröffnet. Wenn man mit dem Flugzeug durch die Wolkenmassen fliegt, erblickt man das Qinghai-Tibet-Plateau aus der Vogelperspektive. Unten ragt ein Berg neben dem anderen empor, auf deren Gipfeln die Schneekappen schimmern. Flüsse winden sich wie dünne Fäden durch die tiefen Täler.

Einst, auf einem Flug nach Tibet, dachte ich beim Anblick dieser besonderen Berglandschaft an ein altes tibetisches Lied, von dem mir mein Lehrer an der Universität, der Tibetologe Jambian Gyamco, erzählt hatte. Es trägt den Titel Siba schlachtet ein Rind:

Wenn Siba ein kleines Rind schlachtet

Wo soll er den abgehackten Rinderkopf hintun?

Ich weiße es nicht und frage den Sänger.

Wenn Siba ein kleines Rind schlachtet 

Wo soll er den abgehackten Rinderschwanz hintun?

Ich weiß es nicht und frage den Sänger.

Wenn Siba ein kleines Rind schlachtet, 

Wo soll er die abgezogene Rinderhaut hintun?

Ich weiß es nicht und frage den Sänger.

Wenn Siba ein kleines Rind schlachtet,

dann soll er den abgehackten Rinderkopf an eine hohe Stelle stellen.

Deshalb ragen die Berggipfel hoch empor.

Wenn Siba ein kleines Rind schlachtet,

dann soll er den abgeschnittenen Rinderschwanz in einen Berghang pflanzen.

Deshalb gedeihen die Wälder.

Wenn Siba ein kleines Rind schlachtet,

soll er die abgezogene Rinderhaut auf eine ebene Fläche legen.

Deshalb ist die große Erde eben.

Das ist ein uraltes tibetisches Schöpfungslied und handelt von der Erschaffung des Qinghai-Tibet-Plateaus durch die Tibeter in der Urzeit. Die Verbindung der Gebirgslandschaft und der Erde mit dem Rind ergeb sich offensichtlich aus der Sicht- und Denkweise der Hirten. Die Betrachtung ist zwar ein bisschen naiv, doch die ungewöhnliche Vorstellungskraft ist bewundernswert. Später erfuhr ich, dass es viele Varianten von Sibas Rinderschlachtungslied gibt, doch alle handeln davon, wie verschiedene Dinge entstanden sind. Das Lied bewegt immer die Zuhörer.

Viele Jahre später beschrieben tibetische Weise auf Pergament die Herausbildung des Qinghai-Tibet-Plateaus. Man staunt heute über den philosophisch-wissenschaftlichen Gehalt ihrer Beschreibung:

,,In der Urzeit lag die Welt im Dunkeln und sie war völlig leer. Aus dem Nichts kam ein Wind auf, der immer stärker wurde. Die Wolken verdichteten sich. Plötzlich goss es in Strömen, die Regenfälle dauerten jahrelang. Nachdem sie aufgehört hatten, enstand ein Meer... Auf dem Meer blies der Wind, und die Wellen kraeuselten sich, dass das Meer so aussah wie gerührte Milch. Der Schaum bedeckte das Meer, wurde immer fester und färbte sich gelb und sah wie Butter aus, die aus Sahne gewonnen wird. Aus dem Meer entstand die Erde...“ Diese Beschreibung steht in einem Buch über den Ursprung der Religion und deren Entwicklung.

Es sind viele solche Aufzeichnungen überliefert.

Eingehende Kenntnisse über das Qinghai-Tibet-Plateau habe ich mir aus wissenschaftlichen Büchern erworben. Ihre Darstellungen sind nicht weniger wundersam als Sibas Rinderschlachtungslied und andere Aufzeichnungen in alten tibetischen Büchern.

2. Geophysiker über das Qinghai-Tibet-Plateau

Nach Angaben von Geophysikern ist das Qinghai-Tibet-Plateau, die höchste Gegend des Erdballs, aus einem urzeitlichen Meer namens Thetis entstanden – dieses Meer wurde vor 100 Jahren nach der griechischen Göttin Thetis benannt und erstreckte sich einst über den heutigen eurasischen Kontinent.

Der chinesische Geologe Prof. Pan Yusheng beschreibt die Enstehung des Qinghai-Tibet-Plateaus als Zusammenspiel von drei Meeren und mehreren Erdteilen.

In einem früheren, lange vergangenen Stadium der Erdentwicklung sah die Landschaft auf dem heutigen ,,Dach der Welt“ – dem Qinghai-Tibet-Plateau – völlig anders aus. Statt nebeneinander stehender, schneebedeckter hoher Berge existierten drei Meere, die hintereinander verschwanden.

Das urzeitliche Thetis-Meer befand sich da, wo heute der westliche Teil des Kunlun-Gebirges und das Qilian-Gebirge stehen. Es enstand im Laufe der Spaltung von Erdteilen vor 900 Mio. Jahren und existierte bis vor 400 Mio. Jahren. In dieser Zeit befand sich die Erde noch in der Herausbildung. Da gab es nur Flut und Ebbe, das Meer brandete donnernd gegen das Land, wo Stille herrschte.

Im Lauf der Zeit verschwand das urzeitliche Thetis-Meer allmählich. Die einst durch das Meer getrennten Kontinente im Süden und Norden wuchsen zusammen. Im Süden, wo das heutige Qinghai-Tibet-Plateau liegt, entstand ein neues Meer, nämlich das ,,Alte Thetis-Meer“. Dies war vor 350 Mio. bis 200 Mio. Jahren. In dieser Zeit begann sich das ursprüngliche Leben zu entwickeln, von Fischen zu Amphibien, von den Sporenpflanzen zu den Nacktsamern. Tiere und Pflanzen lebten und gediehen in den Gewässern auf den Inseln im Süden und Norden des Meers.

Als das Alte Thetis-Meer verschwand, bildete sich der südliche Rand des heutigen eurasischen Kontinents heraus. Das war vor 180 Mio. Jahren, also im Zeitalter der Dinosaurier. Damals lag das heutige Indien noch auf der Südhalbkugel. Bis vor 71 Mio. Jahren lag sein südlichster Teil noch auf 40 Grad südlicher Breite. Dieses Stück Kontinent bewegte sich nach Norden mit einem Tempo von 10 cm pro Jahr. Im Lauf von Jahrmilionen legte es eine Strecke von nahezu 10 000 km zurück. Vor 40 Mio. Jahren stießen der europäische und der asiatische Kontinent zusammen, mit der Folge, dass das Neue Thetis-Meer völlig verschwand. Nun waren die ursprünglich durch das Meer getrennten Kontinente zusammengefügt, und die Nahtlinie bildet heute der Yarlungzangbo-Fluss. Aus diesem geologischen Wandel formten sich die Regionen von Qinghai und Tibet.

Als die Regionen von Qinghai und Tibet im Entstehen begriffen waren, waren der Himalaya und das Qinghai-Tibet-Plateau noch nicht sehr hoch, sie lagen nur etwa auf 1000 m ü, M. Das Klima war warm und feucht. Es gab tropische Wälder und Grasland. Seit drei Mio. Jahren - und bis in die Gegenwart hinein - erhebt sich das Qinghai-Tibet-Plateau sehr schnell, es liegt heute auf 4700 m ü. M. Jedoch erfolgte die Erhebung in verschiedenen Abschnitten der Erdgeschichte mit unterschiedlichem Tempo. In der früheren Phase des Pleistozäns, vor zwei Mio. Jahren, erhob sich die tibetische Hochebene um 1000 m, in der mittleren Phase des Pleistozäns, vor einer Mio. Jahren, nahm ihre Höhe nochmals um über 1000 m zu, und in der späteren Phase des Pleistozäns, vor etwa 100 000 Jahren, stieg sie um weitere 1500 m. Seit 10 000 Jahren erhöht sich das Plateau noch schneller, und zwar mit einem Tempo von 7 cm pro Jahr- es ist inzwischen um 700 m gestiegen.

Nun wissen wir, dass das Qinghai-Tibet-Plateau, geologisch gesehen, recht jung ist. Seine Entwicklungsgeschichte von 2 Mio. Jahren ist im Vergleich zum Alter des Erdballs von 4,6 Mrd. Jahren eher ein kleiner Bruchteil. In diesem Zusammenhang vermittelt die Entwicklungsgeschichte des Qinghai-Tibet-Plateaus den Eindruck, als ob es das ganze Jahr hindurch im Meer geschlummert hätte und erst in den letzten Tagen oder gar Stunden vor Jahresende plötzlich erwacht sei und sich daraufhin zum ,,Dritten Pol der Erde“ erhoben hätte.

3. Ein Porträt des Qinghai-Tibet-Plateaus

Nun wollen wir einmal sehen, wie die geographische Form des Dachs der Welt aussieht.

Auf Chinas Standardlandkarte ist das Qinghai-Tibet-Plateau im Südwesten gelb-braun markiert. Das Grundgerüst bilden einige Gebirgsketten, nämlich der Himalaya, das Gandise-, das Nyaingentanglha-, das Tanggula-, das Kunlun-, das Karakorum- und das Qilan-Gebirge. Diese Bergketten erstrecken sich von Osten nach Westen. Nur das im Osten befindliche Hengduan-Gebirge verläuft anders. Die große geomorphologische Besonderheit in Tibets Osten besteht darin, dass drei Flüsse, der Jinsha (Yangtse), der Lancang (Mekong) und der Nu (Salween) parallel zu drei Gebirgen verlaufen, nämlich dem Mangkang-, dem Taniantaweng- und dem Boshu-La-Gebirge. Auf den schneebedeckten Bergketten sind bläulich schimmernde Gletscherseen erkennbar. Zwischen Gipfel und Bergfuß variiert die Pflanzenwelt, und in den tiefen Tälern stehen dunkle Urwälder. Die Berghänge sind mit roten Azaleen und grünem Gras bewachsen. Auf Hügelrücken und an Fluss- und Seeufern liegen einzelne Dörfer verstreut.

Vom Nordrand des Plateaus aus sieht man den blauen Qinghai-See, der von hohen Bergen und Lößebenen eingefasst ist. Geht man noch weiter in Richtung Westen, und zwar über den Salzsee, erblickt man am Rand der Wüste die neue Stadt Golmud. Sie ist eine bedeutende Stadt an der Qinghai-Tibet-Landstraße. Hier dreht unser Flugzeug nach Südwesten, und vor uns ragt eine Schneewand hoch. Das ist das Kunlun-Gebirge, hinter dem sich ein weites Hochland ausdehnt. Hier liegt das Quellgebiet des Yangtse, des längsten Flusses Chinas. Sein Flussbett ist breit und seicht, klares Wasser plätschert durch breite Täler. In dieser Gegend stehen auch das Hoh-Xil-Gebirge und das Fenghuo-gebirge. Und auf dem gelb-grünen Hochland schlängelt sich die Qinghai-Tibet-Landstraße, deren höchster Pass im Tanggula-Gebirge liegt. Dieses unterscheidet sich vom Kunlun-Gebirge liegt. Dieses unterscheidet sich vom Kunlun-Gebirge dadurch, dass es keine steilen Felswände und große Steigungen hat. Es ist die Wasserscheide zwischen den Einzugsgebieten des Yangtse und des Nu. Im südwestlichen Teil des Gebirges steht, umgeben von einer Reihe von Bergen, die sich 6000 m ü. M. erheben und von weigem Schnee bedeckt sind, sein Hauptgipfel Geladaindong. Hier entspringt der Yangtse.

Nordwestlich davon dehnt sich das Hochland Nordtibets aus, das eine Fläche von 600 000 k㎡ hat und durchschnittlich 4500 m ü. M. liegt. Dieses Hochland hat nur eine leichte Steigung. In den weiten Auen wächst Gras, während hohe, kalte und trockene Stellen nur Ödland sind. Das Hochland Nordtibets ist durch zahlreiche Seen gekennzeichnet. Das Qinghai-Tibet-Plateau verfügt über fast die Hälfte der Seefläche des ganzen Landes. Die meisten Seen sind jedoch im Weidegebiet Qiangtang und in unbesiedelten Gebieten konzentriert. Diese Region ist mit Seen übersät, z. B. dem Nam Co, dem Seling Co, dem Eco, dem Chaguo Co und dem Wuruco, die in ihren verschiedenen Formen eine faszinierende Landschaft bilden. Im Süden von Qiangtang windet sich der Fluss Naqu, der oberste Teil des Nu (Salween), durch die breiten Täler und Senken. Schwarze Jaks und weiße Schafe zieren das weite Grasland - im Norden Tibets liegen die Hauptweidegebiete.

Im Süden bildet das Nyaingentanglha-Gebirge das Tor zum nordtibetischen Grasland. Nach Süden führt das Tor in die Region von Lhasa. Man sieht den Fluss Yarlungzangbo wie einen Hada, einen tibetischen Schal, zwischen dem Gandise- und dem Himalaya-Gebirge fließen. Dieser weltberühmte Fluss legt auf chinesischem Gebiet eine Strecke von 2070 km zurück. In Nyingchi macht er eine große, hufförmige Biegung und fließt bei Baxika nach Indien, wo er den Namen Brahmaputra trägt, und durch Bangladesch und mündet schließlich in den Golf von Bengalen.

Blickt man in Richtung Westen, sieht man das Himalaya-Gebirge, das eine Länge von 2400 km, eine Breite von 300 km und eine durchschnittliche Höhe von 6200 m hat. In der Mitte des Gebirges liegen sechs Gipfel dicht beieimander, die 8000 m überragen. Der höchste darunter ist der Qomolangma (Mt. Everest) mit einer Höhe von 8848,13 m. Die gigantische Gestalt des Qomolangma sieht man oft in Bildern und Fernsehprammen. Düster thront der aus Kalkgestein bestehende Gipfel mit dem charakteristischen Profil. Sein oberster Teil ist von ewigem Schnee bedeckt und strahlt im Sonnenschein. Wenn wir uns dem Qomolangma aber von der östlichen Seite nähern, sehen wir, dass sich der schwere Wolkenvorhang langsam nach Osten verflüchtigt. Mächtige Gletscher erstrecken sich unterhalb des Gipfels, daneben ragen ,,Eistürme“ empor, die man nur in den tiefen Tälern am Qomolangma, am Geladaindong-Gipfel und im Karakorum-Gebirge sehen kann.

Weiter im Westen liegen das alte, mysteriöse Ngari, die Ruinenstadt Guge und das Karakorum-Gebirge, das als ,,Rückgrat Asiens“ bezeichnet wird. Das Qinghai-Tibet-Plateau, ein Hochland, das sich ueber 2,5 Millionen k㎡ ausdehnt, ist ein einzigartiges geographisches Phänomen mit grandiosen Landschaften.

Das ist unser Qinghai-Tibet-Plateau, in dessen Herzland Tibet liegt.

4. Herr Qabai über die Herkunft des Ausdrucks ,,Fanyu“

Das Qinghai-Tibet-Plateau ist, wie oben dargestelt, geologisch gesehen eine junge Landschaft, hingegen ist die Nationalität, die hier lebt, ethnologisch gesehen alt. Sie hat eine schriftlich festgehaltene Geschichte von 1300 Jahren und eine lange kulturelle Tradition. Seit jeher werden die hier lebenden Menschen als ,,Fan“ bezeichnet. Wann bildete sich dieser Begriff heraus? Und was bedeutet er?

Der berühmte tibetische Historiker Qabai Cedain Puncog hat in sein Buch Allgemeine Geschichte Tibets - in Form einer Edelsteinkette verschiedene volkstümliche Überlieferungen aufgenommen. Der einen Überlieferung zufolge lebte man in Tibet hauptsächlich von der Jagd, bevor man mit der Landwirtschaft anfing. Später ging man zur Viehzucht über. Um zu günstigem Futter zu gelangen, ließen sich die Hirten vereinzelt in mit Gras bewachsenen Landstrichen nieder. Unter diesen Umständen mussten sie zur Vorbeugung von Naturkatastrophen und Angriffen durch Räuber oder Raubtiere ihre Verbindung durch Rufe aufrecht erhaten. Deshalb entsprach der Abstand zwischen einzelnen Hirten der akustischen Erreichbarkeit. Wenn bei einem Hirten etwas Außergewöhnliches vorkam, rief er seinen ,,Nachbarn“ mit ,,Gaye“ oder ,,Waye“. Diese Rufe werden als ,,Fanba“ bezeichnet, und später entwickelte sich ,,Fan“ zum Ortsnamen.

Es gibt allerdings, nach einer anderen Überlieferung, eine andere Erklärung für ,,Fanyu“: Entsprechend der topographischen Besonderheit Tibets, dass der Nordwesten höher als der Südosten ist, ist die gesellschaftliche Produktion seit jeher dreigeteilt: Das Hochland, wo nomadische Viehzucht vorherrschte, wurde ,,Viehzucht“ genannt, während die Täler, in denen vor allem Getreideanbau betrieben wurde, ,,Landwirtschaft“ hießen. ,,Fan“ dagegen bezog sich auf einen Ort, an dem beide Produktionszweige gemischt waren, wobei der Schwerpunkt jedoch mehr auf der Landwirtschaft lag. Die Sibuye-Dynastie begann ihren Aufstieg von Yarlung aus. Gerade in dieser Region war das Zentrum der Landwirtschaft, und so wurde diese Region auch ,,Fan“ genannt. Die Linie Sibuye übernahm den Ortsnamen als Dynastienamen, woraus der Titel ,,Tufan Tsanpo“, später ,,Tubo Tsanpo“ ausgesprochen, entstand. Die Dynastie dehnte später ihren Machtbereich über ganz Tibet aus und brachte insbesondere in der Regierungszeit Songtsan Gampos die kleinen Stämme im Umland unter ihre Herrschaft. So wurde wiederum der Dynastiename als Ortsname verwendet. Danach wurden die von Schnee bedeckten Regionen als ,,Tufan“ bezeichnet.

Im Vergleich zu den volkstümlichen Überlieferungen hat das Untersuchunsergebnis des jüngeren Tibetologen Dainzhub Ongboin größeren kulturellen Gehalt. Er weist in seiner Abhandlung Versuch über die Herausbildung der tibetischen Nationalität darauf hin, dass die tibetische Zivilisation zwei Wiegen entsprungen ist, nämlich Zhangzhung und den Yarlung-Tälern. Die Herausbildung der mit ,,Fan“ benannten Nationalität ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zhangzhung-Zivilisation die Vereinigung des Qinghai-Tibet-Plateaus durch die Bon-Religion bewerkstelligte. Die Tibeter entsagten der Ideologie des primitiven Glaubens. Dadurch wurden erstmals eine einheitliche Sprache, eine gemeinsame Ideologie, gemeinsame Sitten und Gebräuche sowie eine allgemeine psychologische Identifikation und kulturelle Grundlage geschaffen. Aus der Zivilisation der Yarlung-Täler trat die Sibuye-Dynastie hervor. Diese Dynastie vereinigte mit politischen und militärischen Mitteln das Qinghai-Tibet-Plateau. Dmit trennten sich die Tibeter von den aus der Urgesellschaft überliegerten kleinen Stammesverbänden und schufen einen gemeinsamen Lebensraum. In Weisenbankette und Aufzeichnungen über die Tubo-Koenige und Minister sind Aufzeichnung ueber den Vorgang der Herausbildung der tibetischen Nationalität und die Kentnisse der Tibeter über sich selbst zu finden. Aber da ist die märchenhafte Färbung ziemlich stark. Doch gerade in diesen Schriften, in denen Figuren wie Yaksha, Dämonen und böse Geister sowie Masang auftauchen, ist die Entwicklungsgeschichte von den Sippen ueber Staemme bis zur Nationalitiät geschildert. ,,Fan“ und ,,Tufan“ waren allgemein gebräuchliche Bezeichnungen für das tibetische Gebiet und die Tibeter, sie waren genau so wichtig wie die Bezeichnung ,,Tibet“. Nach meinem Verständnis von Tibet entspricht eine scheinbar wissenschaftliche Erläuterung manchmal nicht unbedingt den Tatsachen. Die Erfahrung zeigt uns, dass die Geschichte manchmal nicht der Logik folgt, und dass manche scheinbar groteske Überlieferungen der Geschichte eher nahe stehen.

5. Die Sage um den Affen und das Mädchen vom Zauberfelsen

Die Sage um den Affen und das Mädchen vom Zauberfelsen ist in Tibet seit Jahrtausenden überliefert.

Es war vor langer Zeit einmal ein in den Buddhismus eingeweihter Affe, der von der Goettin der Barmherzigkeit in die schneebedeckte Region Tibets zur Praktizierung des buddhistischen Lebens geschickt wurde. Er gelangte zu einem schwarzen Felsen und versank in die meditative Übung der Barmherzigkeit. Dadurch erreichte er ein tiefes Versitändnis der buddhistischen Lehren. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt kam ein Mädchen aus dem nächstliegenden Ort und sagte liebevoll zu ihm: ,,Lass uns die Ehe schließen!“ Nachdem sie geheiratet hatten, kriegten sie sechs kleine Affen. Sie hatten verschiedene Charakterzuege und gingen im Wald ihre eigenen Lebenswege. Drei Jahre später, als der alte Affe sie besuchte, sah er, dass es bereits über 500 Affen gab. Die Früchte an den Bäumen waren bereits aufgefressen und es gab keine andere Nahrung mehr. Darauf ging der Affe wieder in die göttliche Welt und holte Hochlandgerste, Weizen, Bohnen, Buchweizen und Gerstenmalz und streute sie auf die Erde, so dass diese bald mit verschiedenen Getreidearten bewachsen war. Dadurch bekamen die Affen ausreichend Nahrung. Die Affen, deren Haare und Schwänze kürzer wurden, verstanden es allmählich, Sprache zu verwenden. Dadurch wurden sie Menschen, sie waren die Vorfahren der Bevölkerung, die auf dem von Schnee bedeckten Hochland lebt.

Diese Sage ist zwar von einem kräftigen buddhistischen Schleier überlagert, doch die Geschichte fand weite Verbreitung und wurde in den Kanon der buddhistischen Klassiker aufgenommen. In den Wandelgängen im Potala-Palast hängen 698 Wandmalereien, die von 400 berühmten Malern gemalt wurden. An zwei Stellen ist die Geschichte der Entstehung des Menschen dargestellt. In der Sutrahalle des Norbulingka-Palasts gibt es auch Gemälde mit dem Motiv der Wandlung des Affen in den Menschen. Auch der Ortsname von Zetang in Shannan bedeutet urspünglich ,,Spielplatz der Affen“. Wer dorthin reist, kann sich von Einheimischen den Berg Sadanggunbori zeigen lassen, der hinter dem Ort liegt, denn in der Berghöhle lebten einst Affen. Drei Kilomenter davon entfernt liegt das Dorf Shara. Tibetischen Legenden nach lag dort das erste Gerstenfeld Tibets, das Affen urbar machten. Dieses Feld ist die Mutter Tibets. Tibeter pflegen jedes Jahr zur Zeit der Aussaat eine Handvoll göttlicher Erde aus dem Feld zu nehmen, um für eine gute Ernte zu beten.

Diese Sage ist der Evolutionstheorie von Charles Darwin überraschend ähnlich. Was steckt hinter der Geschichte? Sie zeigt eine geniale Vorstellungskraft, zugleich handelt es sich um eine philosophische Reflexion: Wer bin ich? Woher komme ich?

6. Zwei Ruinen aus der Neusteinzeit

Die Überlieferung bleibt allerdings Überlieferung. Bezüglich der Frage, woher die Vorfahren der Tibeter wirklich stammen, gibt es in akademischen Kreisen keine einheitliche Meinung. Die eine Fraktion plädiert für eine Herkunft aus dem Norden, die andere für eine Herkunft aus dem Süden. Darüber hinaus wird auch die Auffassung vertreten, dass sie einfach schon immer dort gesiedelt haben, wo sie heute sind. Zur Klärung dieser schwierigen Frage stehen heute zahlreiche archäologische Funde zur Verfügung, die seit den 60er Jahren freigelegt wurden. Geologen und Achäologen haben bei Sura im Kreis Tingri, in Dorgezhe im Kreis Xainza und Zhabu im Kreis Rutog sowie in Hor im Kreis Burang 16 Siedlungen aus der Altsteinzeit, 39 aus der Mittelsteinzeit und sechs Ruinen aus der Jungsteinzeit gefunden. In den Zivilisationsspuren von Nyingchi wurden menschliche Fossilien aus der Urzeit und Versteinerungen von Wirbeltierknochen freigelegt.

Im Verleich zu anderen Ausgrabungen sind die Fundstätten Karub in Qamdo und Qugong in Lhasa in relativ gutem Zustand.

Einer volkstümlichen Überlieferung zufolge rührt der Ortsname Karub daher, dass dort ein Berg mit einem unüberwindlichen Pass steht. Nach einer anderen Überlieferung führte der Marschall des mongolischen Kaisers seine Truppen nach Tibet und wollte die Region Qamdo erobern. Die Einheimischen bauten zur Abwehr Befestigungen. Später zerfielen die Befestigungen, und sie wurden zu Ruinen. Dort entstand ein Dorf mit dem Namen Karub (Ruinendorf). Das ursprüngliche Dorf Karub liegt am Westufer des Lancang-Flusses (Mekong) auf 3100 m ü. M. Nach ersten Vermessungen erstreckt sich die Ruine Karub über eine rechteckige Fläche von 10 km2. In zwei Ausgrabungen wurde eine Gesamtfläche von 1800 ㎡ archäologisch untersucht. Dabei wurden viele Gegenstände verschiedener Art freigelegt, und zwar 29 Wohnstätten, drei Mauerstücke, zwei Steinplatten, drei Ecksteine, vier Kochherde, 7978 Steingegenstände, 368 Knochengegenstände, über 20 000 Steinscherben, von denen 46 zu Gegenständen zusammengesetzt werden konnten. Außerdem gibt es zwei Ornamente. Die Lehmhütten weisen verschiedene Formen auf, sie sind rund, rechteckig oder länglich. In einer Hütte wurde ein von einem Dreifuß gestützter Kochherd freigelegt. Werkzeuge aus Knochen sind spärlich, dabei handelt es sich vor allem um Knochenahlen, Knochennadeln, Äxte und Knochensägen. Die ausgegrabenen Tierknochen sind recht vollständig und die Knochengegenstände fein bearbeitet. Besonders erstaunlich sind manche Knochennadeln, die nur 2,4 cm lang sind und ein Nadelöhr haben. Tongegenstände wurden zwar nicht viele gefunden, aber die Krüge, Töpfe und Schalen sind kunstvoll mit verschiedenen Bildmustern und Zeichnungen verziert, wobei die Farben Rot, Gelb, Grau und Schwarz verwendet wurden. Die Tongegenstände sind von feiner Gestalt und haben verschiedene Formen. Bei den Schmuckgegenständen handelt es sich um Haarnadeln, Ketten, Ohrringe, Perlenketten und Muschelschalen. Die meisten der ausgegrabenen Gegenstände sind aus Stein angefertigte Werkzeuge wie steinerne Schaufeln, Spaten, Äxte, Hacken, Pflüge, Pfeile, Sicheln und Hackbeile. Es sind insgesamt 6800 Stück.

Die Karub-Kultur gehörte zur Kultur der Neusteinzeit vor 4500 bis 5000 Jahren. An den Ausgrabungsgegenständen lassen sich der damalige Kontakt von Menschen im Südwesten und Nordwesten und der kulturelle Austausch zwischen ihnen sowie ihre Bauweisen und regionalen Stile erkennen. Das ist für die Erforschung der Herkunft der Vorfahren der Tibeter von großer Bedeutung. Experten stellten fest, dass die in der Karub-Kultur lebenden Menschen hauptsächlich von den Landwirtschaft lebten und nur nebenbei Jagd betrieben. Die Karub-Kultur war vielfältig, und die Karub-Ruine ist die repräsentativste Ausgrabungsstätte auf dem Qinghai-Tibet-Plateau, die bisher freigelegt wurde. Die Karub-Kultur ist eine glänzende Perle in der Schatzkammer der Kultur der chinesischen Nation.

Fünf Kilometer von Lhasa entfernt liegt die Qugong-Ruine, die 1984 entdeckt und dann in kleinerem Umfang ausgegraben wurde. Sie wurde 1990 noch einmal archäologisch untersucht. Dabei wurde eine Ausgrabungsstätte mit einer Fläche von über 500 ㎡ freigelegt, wo sich hauptsächlich Aschegruben und Gräber befinden. Es wurden auch zahlreiche Gegenstände wie Knochenwerkzeuge, Tonscheiben und Tierknochen gefunden, die auf ein Alter von über 4000 Jahren datiert wurden. An den Ausgrabungsgegenständen ist zu erkennen, dass hier schon in der Urzeit eine menschliche Siedlung existierte. Schon bevor der Yarlung-Stamm nach Lhasa zog, lebten Menschen an diesem Ort.

Aus den oben dargestllten Überlieferungen und Ausgrabungsergebnissen wird ersichtlich, dass es bereits vor Tausenden von Jahren menschliche Siedlungen in Tibet gab. Die tibetische Nationalität könnte sich durchaus aus einer ansäßigen Urbevölkerung entwickelt haben und müsste keineswegs von außen nach Tibet eingewandert sein. Und die tibetische Nationalität weist wie jede andere ethnische Gruppe auch andere ethnische Komponenten auf, z. B. von Han-Chinesen, Mongolen und Angehörigen der Qiang-Nationalität, so wie zweifelsohne in diesen anderen ethnischen Gruppen auch Tibeter stecken.

7. Nyatri Tsanpo, Sohn des himmlischen Gottes

Die Geschichte um Nyatri Tsanpo ist zwar auch eine Überlieferung, hat aber durchaus einen gewissen historischen Gehalt, Diese Legende erläutert die Tatsache näher, dass sich die tibetische Nationalität aus einer einheimischen Urbevölkerung entwickelt hat.

Der Überlieferung zufolge waren im 3. Jahrhundert v. Chr. auf dem Qinghai-Tibet-Plateau bereits einige Staaten gegründet worden. Im Nordwesten beispielsweise gab es den Staat Zhangzhung. Dort enstand die früheste Religion der Tibeter, die Bon-Religion. Die Bon-Religion ist durch animistische Vorstellungen gekennzeichnet, nach denen ,,nach oben dem himmlischen Gott Opfer dargeboten werden, nach unten die bösen Geister unterworfen werden und in der Mitte das menschliche Leben geführt wird “. Die Bon-Religion legt großen Wert auf das Darbringen von Opfern, und es werden Gebete zur Vertreibung böser Geister und für Glück gesprochen. Die religiöse Lehre wurde mündlich über Geschichten, Rätsel usw. verbreitet. In Zentraltibet siedelte ein Stamm der Qiang-Nationaltität Im Yarlung-Tal des heutigen Tibet wurde ein Staat gegründet.

Die Vorfahren des Yarlung-Stamms betrieben nicht nur Jagd, sondern auch Viehzucht. Sie konnten auch eine beachtliche Geschichte in der landwirtschaftlichen Produktion vorweisen. Im Kampf mit der Natur lernten sie die Technik der Herstellung von Pfeil und Bogen, Äxten und Beilen sowie anderen einfachen Werkzeugen. Die Entwicklung der Landwirtschaft brachte dem Yarlung-Tal Prosperität, aber die voneinander getrennten sechs Stämme fanden keinen gemeinsamen Führer, mit dem alle zufrieden sein konnten.

Eines Tages trieben die Hirten Vieh über einen Berghang, als plötzlich ein junger Mann von stattlicher Gestalt zu ihnen kam. Sie fragten ihn, wo er herkomme. Er zeigte nach hinten. Hinter seinem Rücken war nur blauer Himmel über den Berggipfeln. Die Hirten wunderten sich noch immer, woher er kam, von den Bergen oder vom Himmel? Daraufhin baten sie 12 Weise, das Orakel über seine Herkunft zu befragen. Schließlich fanden sie heraus, dass der junge Mann vom Himmel herabgestiegen und der Sohn des Himmelsgottes war. Die Weisen verkündeten, dass der junge Mann ein Geschenk des himmlischen Gottes sei. Die umstehenden Bewohner jubelten ihm zu, überreichten ihm Blumen und grüßten ihn ehrerbietig. Mit dem Ruf ,,Kommt alle her und schaut! Dies ist der Himmelsgott!“ trugen sie ihn in die Siedlung. Er wurde der erste Tsanpo (König) der Tubo-Dynastie. Da er auf ihren Schultern sitzend in die Siedlung getragen wurde, wurde er Nyatri Tsanpo genannt, ,,der auf Nacken thronende heldenhafte Führer“.

In der Tat war Nyatri Tsanpo nicht der Sohn des himmlischen Gottes, er stammte aus Bowo im Osten Tibets. Seine Mutter Mozin hatte neun Kinder in die Welt gesetzt, von denen das jüngste Wubeiru hieß. Er sah ungewöhnlich aus, hatte feine Gesichtszüge und ansehnliche Augen, aber seine Zunge war außergewöhlich groß, so groß, dass sie das ganze Gesicht bedecken konnte. Und seine Hände hatten Schwimmhäute wie Entenfüße. Das Kind wuchs und wuchs, wurde sehr kräftig und hatte eine große Ausdauer. Sein Wachstum und seine Entwicklung lösten bei den Menschen in seiner Umgebung Argwohn und Skepsis aus, denn sie dachten, dass er den bösen Geist verköpere. Schließlich vertrieben sie ihn. Mit großer Wehmut verließ das Kind seine Heimat. Der junge Mann hatte den Glauben an sich selbst nicht verloren, zog von Ort zu Ort und kam schließlich in Yarlung an und wurde Nyatri Tsanpo des Yarlung-Tals.

Nachdem ,,der himmlische Gott“ Stammesführer geworden war, benannte Nyatri Tsanpo seine Linie mitt ,,Sibuye“, da er aus Bowo stammte. Um seinen Stämmen zum Aufschwung und zu Reichtum zu verhelfen, förderte er einerseits die landwirtschaftliche Produktion und Viehzucht und erhob andererseits die Bon-Religion zur Staatsreligion. Damit vereinheitlichte er die Ideologie der Stammesmitglieder. Außerdem ließ er zur Verteidigung Befestigungen bauen. Sie waren die ersten Festungen in Tibet, von denen aus man Ackerfelder und ausgedehnte Gebiete überblicken konnte. Unter der sorgfältigen Führung durch Nyatri Tsanpo erlebte der Yarlung-Stamm einen schnellen Aufstieg auf dem Qinghai-Tibet-Plateau.

In der tibetischen Geschichte sind viele solche Sagen enthalten. Wir wollen gerne glauben, dass sie im Kern den historischen Tatsachen entsprechen. In der Tat sind sie von den historischen Tatsachen nicht sehr weit entfernt. Die verifizierte Geschichte Tibets beginnt gerade mit dem ersten Tsanpo des Yarlung-Stammes. 

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